Die Entstehungsgeschichte des 2. Bronzeadlers vor 60 Jahren
Zu Ehren des verdienten Dolomitenpioniers Dr. Theodor Christomannos wurde, wie bereits im ersten Artikel berichtet, 1912 ein Denkmal unterm Rosengarten errichtet, aber später leider zerstört. Am Sonntag, 12.07.1959 wurde der „neue“ Adler wieder am selben Platze feierlich enthüllt. Wie sich einige ehrenvolle Welschnofner um die Wiedererrichtung des Bronzeadlers bemühten und die Künstlerin Maria Delago diesen neuen Adler erschaffte, möchte ich hier aus verschiedenen Aufzeichnungen berichten.
Der erste Bronzeadler
wurde bereits nach einigen Jahre stark beschädigt und die Bronze-Relieftafel mit dem Christomannos-Bild gestohlen. Und wieder war es Dr. Georg Hirzel, welcher sich um die Restaurierungsarbeiten kümmerte und auch bezahlte.
Im Jahr 1920 war in den „Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins“ bezgl. Schändung des Christomannos Denkmals der unten angeführte Bericht zu lesen:
Aber trotz der Instandsetzungsarbeiten war diesem Adler kein langes Leben gegönnt. - In den Aufzeichnungen von Ignaz Kircher ist dazu folgendes zu lesen: „Gegen Ende des zweiten Weltkrieges wurde das Denkmal von einer ganz üblen Sorte von Zeitgenossen zerstört – nicht etwa aus weltanschaulichen oder politischen Gründen,- sondern einfach wegen seines Materialwertes, gestohlen“.
An einem Spätsommertag 1958 kamen der Lehrer Ignaz Kircher „Geiger Naz“, der Wirt der Paolina Hütte, Sepp Pichler und seine Frau Anna auf dem Rückweg von der Ostertag-Hütte an der Stelle vorbei, wo das Denkmal gestanden hatte. Sie bedauerten alle zutiefst, dass der Adler hier nicht mehr existiere. Da meinte die Anna, unkompliziert und spontan wie Frauen oft sind: „Dann stöllt des Denkmol holt wieder auf!“ – Die zwei Männer ließen sich das nicht zweimal sagen und besprachen das Thema gründlich durch und verstanden aber auch, dass die Realisierung dieses Projektes finanziell für sie zwei ein paar Nummern zu groß war. Eine intensive Sammelaktion wurde gestartet, bei der sich besonders die Welschnofner Alpenvereinsmänner Sepp Pichler, Siegfried Auer und Florian Meraner, sowie eine Gruppe von Gönnern aus Meran einsetzten. Dank der Unterstützung von vielen Freunden konnten bald die Arbeiten vergeben werden.
Für die künstlerische Gestaltung fiel die Wahl auf die weit über die Grenzen unserer Heimat hinaus bekannte, heimische Bildhauerin MARIA DELAGO. Als sie gefragt wurde, ob sie den Auftrag annehme, meinte sie, sie fühlt sich sehr geehrt, dass man sie ausgewählt hat, aber die Größe der Figur erschreckt sie schon sehr. -Aber nach gutem Zureden ging sie mit Feuereifer an die Arbeit.
MARIA DELAGO (1902-1979)
war eine demütige Künstlerin, die ohne viel Aufsehens Akzente in der Tiroler Bildhauerei setzte ohne sich selbst in den Vordergrund zu drängen. So still wie ihre Mentalität war, so prägnant war ihr Werk. Ihre Vielfalt in der künstlerischen Arbeit beruht auf der ausgereiften und intensiven Schulung der Akademiezeit. Unbeeinflusst von Modeströmungen war sie stets bestrebt nach Wahrheit, Größe und Einfachheit. Im März 1964 erhielt sie den Walther-von-der-Vogelweide-Preis. Der Südtiroler Künstlerbund würdigte und ehrte Person und Werk der Künstlerin im Jahre 1968 mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft.
Aus Abbildungen des alten Denkmals und aus „Brehms Tierleben“ fertigte Frau Delago sich Vorentwürfe an. In ihrem Atelier in der Heinrichstrasse in Bozen formte sie darauf das Tonmodell in verkleinertem Maßstab - ungefähr 1:3. Sie änderte es öfters, weil es ihr einfach nicht gefiel. Entweder war der Adler zu schlank oder zu plump, dann wirkte er zu wenig „königlich“, oder der Schnabel wiederum war ihr zu wenig kühn geschwungen usw.
Als endlich das Adler Modell zu ihrer Zufriedenheit gediehen war, brachten es die Künstlerin Maria, der Sepp und der Naz in einem Taxi nach Verona zur Kunstgießerei Primo Guastini, denn die Zeit drängte. (Das Denkmal sollte anlässlich der 50-Jahr-Feier der großen Dolomitenstraße im Frühsommer 1959 enthüllt werden). – Leider war der Lehm noch nicht richtig trocken – und das rächte sich.
Durch die Erschütterung beim Fahren verlor das Modell durch das große Eigengewicht völlig die Form, sank langsam in sich zusammen und drohte ganz auseinanderzubrechen. Die Künstlerin hielt den armen Adler wohl eng umschlungen in der Hoffnung durch die Umarmung dem Schicksal Einhalt zu bieten. Als sie in Verona ankamen, hatte ihr „Schmerzenskind“ wie Maria den Vogel nannte, nichts mehr „Königliches“ mehr an sich. Und es gab auch Tränen, als sie das Gebilde in die Modellierwerkstätte brachten. – Aber nach den tröstenden Worten ihrer Begleiter und einem gemeinsamen Mittagessen mit einem Glas Teroldego war ihr seelisches Gleichgewicht wieder einigermaßen hergestellt. – Die Männer fuhren am Abend wieder nach Hause, aber Frau Delago blieb noch mehrere Tage in Verona und es gelang ihr tatsächlich den übel zugerichteten Vogel wieder in die ihm zugedachte Form zu bringen. - Der Guss gelang bestens und konnte auch termingerecht abgeschlossen werden.
Ein schweres Stück Arbeit bedeutete der Transport der einzelnen Gussteile zu je 34 bis 40 kg von der Paolina Sessellift-Bergstation zum Standplatz am Hirzlweg. – Es waren wieder Männer des Alpenvereins Welschnofen, der Zöhler Sepp mit seinen Buben Hansi und Hermann, Siegfried Auer, die Brüder Plank und der Wirt der Ostertag-Hütte Carlo Delmonega, welche die schweren und mühevollen Arbeiten unentgeltlich ausführten. Die Steinmetzarbeiten wurden von der Firma Buoninsegna in Predazzo durchgeführt.
Aber das „Schmerzenskind“ der Künstlerin, der Adler, brachte ihr bei der Montage noch einigen Verdruss. Sie wollte unbedingt beim Aufstellen dabei sein und verbrachte drei Tage im Dauerregen in 2.300 Meter Seehöhe. Der Abstieg zur Paulina-Hütte war jeweils am Abend kein Spaziergang. Wer die dortige Bodenbeschaffenheit kennt, weiß auch, dass das Erdreich auf diesem Steig bei längerem Regen sich in Schmierseife verwandelt. – Nach sämtlichen Rutschern und Stürzen sah die ganze Mannschaft samt Maria, Naz und den Zöhler Buben wie misslungene Lehmmodelle aus, als sie bei der Hütte wieder ankamen. - Aber auch die Regentage und Widerwärtigkeiten konnten dieser Arbeitsgruppe nichts anhaben und der Christomannos Adler wurde rechtzeitig zur Einweihung fest verankert auf seinem Platz errichtet.)
Zur Enthüllungsfeier des Denkmals
am zweiten Julisonntag (12.07.1959), es war ein strahlender, sonniger Bergsommertag, waren viele Ehrengäste aus Politik und Wirtschaft, aus Bozen und Meran, sowie der älteste Sohn von Dr. Th. Christomannos, Dr. Sigurd Christomannos, sowie der Bürgermeister von Welschnofen, Hans Geiger, erschienen. Die Alpenvereinssektion von Welschnofen legte an der Gedenktafel einen Kranz nieder
Nach der Feier am Berg fand im Golf Hotel Karersee ein festliches Mahl statt, wobei Ansprachen von verschiedenen Ehrengästen gehalten wurden. Dabei wurden besonders die Arbeit der Künstlerin gewürdigt und an die ehrenvollen Verdienste von Dr. Theodor Christomannos erinnert. Dankend erwähnt wurden auch alle freiwilligen Helfer, die AVS Sektion Welschnofen, die Familie Pichler (Zöhler), Herr Ignaz Kircher für seinen Einsatz und Bemühen, sowie alle Sponsoren.
Stolz thront seitdem der mächtige Bronzeadler seit über 60 Jahren wieder auf seinem Platz und schaut hinein in das geheimnisvolle Reich der bleichen Berge.
Abschließend möchte ich an Dr. Theodor Christomannos mit den Worten bei der Enthüllungsfeier von 1912 erinnern: „MÖGE DIE BEVÖLKERUNG DER DOLOMITENTÄLER DEM DENKMAL DES MANNES, DER FÜR SIE SO VIEL GETAN, EIN TREUER HÜTER SEIN!“
Vergessen wir aber auch nicht den begeisterten und großmütigen Förderer unseres Rosengartengebietes, den Verlagsbuchhändler aus Leipzig: Dr. GEORG HIRZEL!
Quellen:„Meraner Zeitung“ vom 25.09.1912 - „Auf den Spuren von Th. Christomannos“ von AH Mayr
Bild 1 - Die Künstler Maria Delago ließ e sich nicht nehmen an der Aufstellung des Adlers, trotz schlechter Witterung, mitzuwirken
Bild 2 - Abbildung Theodor Christomannos
Bild 3 - Dr. Georg Hirzel