Flutlicht-Spektakel
Zweimal in der Woche verwandelt sich Obereggen in ein Paradies für Nachtskifahrer und -rodler.
Wenn Christoph Pichler jeden Dienstag und Freitag im Winter in seine Schneekatze einsteigt und punkt 17 Uhr den Motor seiner Schneekatze startet, dann tickt für seine Arbeit die Uhr. “Wir haben nicht viel Zeit”, sagt er, weil schon zwei Stunden später die Ochsenweide-Gondelbahn zum Nachtskifahren und -rodeln ihren Betrieb aufnimmt. Und bis dahin muss Christoph die Piste mit der Nummer 2, die von der Epircher Laner Alm bis zur Talstation in Obereggen führt, perfekt präparieren. Routiniert zieht er seine Bahnen – und auch wenn die Zeit drängt, lässt sich Christoph, der schon seit über 30 Jahren fürs Skigebiet in Obereggen arbeitet, nicht aus der Ruhe bringen: Er steuert souverän und mit viel Feingefühl sein 500-PS-Gefährt durch den Schnee, glättet die über den Tag entstandenen Hügel und zieht mit der Fräse die Rillen in die Piste, von denen Skifahrerinnen und Skifahrer später schwärmen werden.
Während Christoph die Piste präpariert, fühlt es sich ein wenig an wie die Ruhe vor dem Sturm. Während der Skitag unterhalb der majestätischen Kulisse des Latemar längst zu Ende gegangen ist, bereitet sich Obereggen schon wieder auf die nächsten lebhaften Stunden vor. Zwei Mal jede Woche taucht das Flutlicht den Skiort in eine ganz besondere Atmosphäre, was auf Einheimische und Gäste gleichermaßen eine große Anziehungskraft ausübt.

„Alles ist perfekt ausgeleuchtet und präpariert“
Alessandro, Aileen und Daniel zum Beispiel kommen regelmäßig von Meran zum abendlichen Skifahren nach Obereggen. Weil sie keinen Urlaub nehmen müssen und im Skigebiet optimale Bedingungen vorfinden: „Alles ist perfekt ausgeleuchtet und präpariert“, sagen sie, bevor sie ihre ersten Schwünge in den Schnee ziehen.
Kerstin und Dirk dagegen finden beim Rodeln eine willkommene Abwechslung zum Skifahren. „Schlitten fahren ist so einfach und macht unglaublich viel Spaß“, sagen die Eggental-Stammgäste aus der Nähe von Dresden. Immer wieder kommen sie abends von Deutschnofen nach Obereggen, um ein paar unbeschwerte Stunden im Flutlicht zu genießen. Auf der Rodelbahn, die neben der Skipiste durch den Wald führt, geht es mittlerweile äußerst lebhaft zu. Strahlende Gesichter und freudiges Geschrei zeugen von dem, was Kerstin und Dirk so beschreiben: „Beim Rodeln kann man nochmal so richtig schön Kind sein.“

Zum Kind sein gehört auch die Belohnung mit einer großen Pizza. Im Platzl am Fuße der Rodelbahn und Flutlichtpiste in Obereggen haben die Pizzabäcker den Holzofen längst schon angeheizt. Dass das, was sie aus Hefeteig, Tomaten und Mozzarella zaubern können, weit mehr als ein Geheimtipp ist, wissen sie selbst. Und die Bestätigung ist immer wieder sicht- und messbar: mit glücklichen Menschen, die das Platzl zum kulinarischen Treffpunkt aller Pisten-Nachtschwärmer machen. Zu ihnen gehören nicht nur Kerstin und Dirk, sondern auch Johannes aus Witten. „Die Pizza muss man sich ja wohl auch verdienen“, sagt er augenzwinkernd. Drei Mal ist er zuvor die Rodelbahn heruntergefahren. Die 280 Meter Höhenunterschied hat er jedes Mal zu Fuß bewältigt. Kein Wunder: Johannes ist passionierter Ausdauersportler. Sich ein bisschen zu quälen gehört für ihn zum Alltag.

Die Betriebsamkeit an der Gondelbahn zur Ochsenweide können Fitnessfreaks wie Johannes nicht wirklich beeinträchtigen. Mia aus Wien zum Beispiel mag den perfekten Schnee, um im Flutlicht als Anfängerin all das zu verbessern, was sie im Skikurs gelernt hat. Blicke für die Freestylerinnen und Freestyler, die am Rande der Piste im beleuchteten Snowpark ihre akrobatischen Kunststücke zeigen, hat Mia wahrscheinlich nicht. „Aber es macht verdammt viel Spaß“, sagt sie, steigt in die Bindung ihrer Ski und fährt behutsam in Richtung Tal.
Auch Sonia und Alberto aus Modena die mit ihren Kindern Matteo und Chiara im Skiurlaub in Obereggen sind, genießen den abendlichen Spaß. Die zwei Rodeln, die sie bei Ski Siegfried an der Talstation ausgeliehen haben, bringen sie jeweils im Doppelpack von oben nach unten – und weil das Thermometer mittlerweile schon unter minus zehn Grad anzeigt, wärmen sie sich in der Epircher Laner Alm auf. Während sich draußen am Feuer neben der Bar die Meraner Alessandro, Aileen und Daniel zu Après-Ski-Musik zuprosten, lässt sich die Familie von Walter, dem Wirt der Epircher Laner Alm, mit Schnitzel und Kaiserschmarrn verwöhnen.
Auch Christoph und seine Kollegen essen dort gerade zu Abend. Die Pisten im Skigebiet sind mittlerweile präpariert. Jetzt warten sie auf den Liftschluss, um vor Feierabend noch die Nachtskipiste für den nächsten Skitag vorzubereiten. Kurz vor Mitternacht ist dann auch der Arbeitstag der Pistenkatzenfahrer beendet.
Im Alpine Club Loox an der Talstation ist dagegen lange noch nicht Schluss. Vor allem an den Freitagen stehen dort so manche noch bis tief in die Nacht hinein begleitet von wummernden Bässen in den Skistiefeln an der Bar. Die meisten im Loox haben sich aber längst in Schale geworfen und machen auf der Tanzfläche die Nacht zum Tag. Anders als Christoph noch ein paar Stunden zuvor können sie die Zeit hier völlig vergessen. Und das ist auch gut so.
