Dolomites UNESCO Geotrail
Großes Bergkino
Um die gesamten 176 Kilometer des Dolomites UNESCO Geotrail quer durch Südtirol zu wandern, benötigt man viel Zeit, insofern du dich selbst nicht zur Kategorie der Bergmarathon-Läufer zählst. Aber es genügen auch bloß 20 Kilometer, um sich vor Augen zu führen, warum die Dolomiten zu den atemberaubendsten Bergen unseres Planeten zählen. Auf der dritten Etappe dieses alpinen Weitwanderweges kommt nämlich die Schönheit dieser Bergwelt ganz besonders zum Ausdruck – eine ergiebige Tagestour wird es aber auf jeden Fall! Was heute vor mir liegt, ist also nicht gerade ein kleiner Spaziergang, aber dafür bin ich schließlich auch nicht hier!
Der Dolomiten-Swing
Eine derartige Wanderung unternimmt man idealerweise in den Nebensaisonen – der Altweibersommer, finde ich, bietet die beste klimatische Kulisse für einen langen Tag in den fotogenen Steilwänden des Rosengartenmassivs, der Vajolettürme und dem Antermoia Bergrücken oberhalb des Rifugio Gardeccia. Diese unter den Bergmassiven liegende Morgenstund hat nicht nur Gold, sondern auch Power - im Mund! So beginnt mein Wandertag mit einem sportlichen Anstieg bis zur Paolinahütte. Wer diese ersten Höhenmeter trotzdem lieber komfortabel umgehen möchte, kann den Sessellift Paolina nutzen – die Bergbahnen in Carezza sind bis Mitte/Ende Oktober im Betrieb. Die knorrigen Wurzeln auf Steig Nr.548 und 522 sind wie Treppen übereinander gereiht und machen den Aufstieg zu einem langsamen Herantasten an die Rundblicke Richtung Tal- und Bergseite. Eindrücke und Herzfrequenz werden zu einem rhythmischen Zweiklang, der mich in den nächsten Stunden begleiten wird. Weitwandern ist Rhythmus – und der Dolomiten-Swing für mich immer wieder etwas ganz Besonderes.
Nicht auf die leichte Schulter nehmen
Ohne Planung sollte man diese Etappe des Dolomites UNESCO Geotrails auch mit „klingenden“ Emotionen dennoch nicht angehen. Trotz guter Wegerhaltung und zahlreicher Berg- und Schutzhütten erfordert diese Wanderung gute Trittsicherheit, Kondition und Erfahrung im alpinen Gelände. Der Aufstieg von der Kölner Hütte zum Tschager Joch ist die „Schlüsselstelle“. Hier führt der Weg Nr. 550 hinüber in das Gardeccia Tal in die Provinz Trentino. Der Abschnitt ist kurz und auch nie ausgesetzt, trotzdem kommen die Hände ein wenig zum Einsatz. Helm muss nicht sein, kann aber auch nicht schaden! Klettersteiggurt finde ich persönlich übertrieben, wichtiger hingegen: Griffige Sohlen beim Schuhwerk, auch wenn nicht viel Sumpf oder Geröll zu erwarten sind. Auch ein stabiler Trail-Running-Schuh eignet sich meiner Meinung nach für den Wege-Mix recht gut.
Berge sagen mehr als tausend Worte
Der Tag verläuft wie ein Drehbuch im großen Bergkino. Die Schönheit der landschaftlichen Bildsequenzen auf dieser Tour sind für mich Inspiration, Reflexion und völliges Abschalten – und der Blick von hier oben ist einzigartig: Ich sehe nichts weiter als Felsformationen, das unter mir ruhende Tal, einen spektakulären Himmel, Berge und nochmals Berge. Und die im Tagesverlauf aufkommenden Wolken machen genau das, was sie sollen: Sie liefern die passende Lichtdramaturgie fürs Fotoauge - von Regen aber keine Spur. Schade, dass ich nur mein Smartphone als Kamera mit dabeihabe, denn diese Ausblicke hätten es verdient, von einem edleren Objektiv abgelichtet zu werden. Trotzdem: Den Dolomiten-Takt kann ich auch jetzt noch in mir spüren!
In der Talsohle zwischen Grasleitner Joch und Molignonpass trennen sich die Wege zwischen dem weiteren Geotrail und meiner Tagestour auf Etappe III. Ich entscheide mich für den Abstieg über die Grasleiten Hütte und dem wilden Tschamintal folgend Richtung Tierser Straße. Mein Weg mündet direkt zur Bushaltestelle Richtung Nigerpass. Stündlich verkehrt hier der Liniendienst und bringt mich in 20 Minuten wieder zurück zum Karerpass. Ich bin erschöpft, aber nicht ausgezehrt – eigentlich bin ich sogar richtig zufrieden und glücklich, die Faszination Dolomiten mit eigenen Füßen erlebt zu haben: Emotion pur!