Ein Erlebnis, das für immer bleibt
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Autor Jens Vögele
Tag Sport

Ein Erlebnis, das für immer bleibt

Faszination Klettersteig: Wie Bergführer Hansjörg Welscher (fast) alle rauf bringt. Und alle auch wieder sicher runter.

„Das Schwierigste haben wir jetzt eigentlich schon hinter uns“, sagt Hansjörg Welscher, nach den ersten Metern des Masarè-Klettersteigs, die nur eine Richtung kennen: senkrecht nach oben. Der Bergführer weiß, dass gerade hier, am Einstieg eines der beliebtesten Klettersteigs im Rosengarten, Ängste überwunden werden müssen. Aber er kann auch darauf vertrauen, dass am Ende alles sicher klappt. „In über 30 Jahren als Bergführer“, erzählt er, „habe ich vielleicht fünf Leute nicht nach oben gebracht.“

Allen anderen hat Hansjörg unvergessliche Glücksmomente in den Felsen der Dolomiten im Eggental beschert: jungen wie alten Bergurlaubern, Familien wie Individualisten, Mutigen wie Ängstlichen und Sportlichen wie Unerfahrenen. „Klettersteige“, so sagt Hansjörg Welscher, „sind in den letzten Jahren immer beliebter geworden.“ Er berichtet vom Reiz, im wahrsten Wortsinne gewohnte Wanderpfade zu verlassen. Vom Nervenkitzel sich teilweise hoch über dem Abgrund zu bewegen, aber immer am Seil gesichert zu sein. Und vom Glücksgefühl, oben anzukommen und das überwältigende Panorama zu genießen: „99 Prozent aller, die einmal einen Klettersteig ausprobiert haben, suchen dieses Erlebnis immer wieder“, beschreibt Hansjörg diese Faszination.

Wer mit einem Bergführer das Abenteuer Klettersteig wagt, muss sich eigentlich um nichts kümmern. Stabile Schuhe, Wanderkleidung, Wetter- und Sonnenschutz und ein Rucksack mit Proviant – und natürlich die Lust, sich in den Bergen zu bewegen. „Den Rest habe ich dabei“, sagt Hansjörg, als er seine Klettersteigtruppe auf dem Parkplatz am Paolina-Lift begrüßt. Schon die Aussicht aus dem Sessellift heraus ist atemberaubend. Hansjörg erklärt sein Revier, das er wie seine Westentasche kennt. Es zieht den Welschnofner nahezu jeden Tag in die Berge hier. Im Sommer zum Klettern, im Winter in den Schnee – und natürlich, um Gästen die wunderbare Welt der Dolomiten nahezubringen.

Die drei beliebtesten Klettersteige hier“, erklärt Hansjörg im Sessellift, „verlaufen zwar im hochalpinen Gelände.“ Wichtig sei aber vor allem für Einsteiger, erfahrene Begleiter mitzunehmen, am besten einen ausgebildeten Bergführer. Kleine Fehler, die große Folgen haben können, ließen sich so vermeiden. Ideal für die ersten Klettersteig-Erfahrungen seien die Steige zur Rotwand und zum Santnerpass. „Wir erleben da zwar schon echte Klettersteig-Herausforderungen, ohne dabei aber in tiefe Abgründe zu blicken“, sagt er. Immer gesichert am Klettergurt wechseln sich Kraxelpassagen und Gehgelände ab – ideal auch für Familien. „Kinder können wir hierhin schon ab sechs Jahren mitnehmen“, sagt der Bergführer. Aber auch auf der Tour, die ihn und seine Gruppe heute über den Masarè-Klettersteig führt, wird es nur wenige Schlüsselstellen zu bewältigen geben. Als der Bergführer am Einstieg mit dem Finger die Route erklärt, erntet er ungläubige Blicke – schwer vorstellbar, wie sich blutige Klettersteig-Anfänger am Grat, der entlang der fünf Masarè-Türme führt, sicher bewegen sollen.

Hansjörgs Blick aber richtet sich schnell wieder auf den Boden. Zunächst braucht es die Basics. Ohne Helm, der gegen Steinschlag schützt, geht nichts. Er soll fest sitzen, aber nicht drücken, die Riemen sollen eng an den Ohren vorbeiführen, unterm Kinnriemen braucht es zwei Finger breit Platz. Auch der Klettergurt muss fest sitzen, ohne zu drücken. Hansjörg erklärt und kontrolliert, ob die Ausrüstung bei jedem richtig anliegt – und hängt zum Schluss das Klettersteig-Set ein. Ein Bandfalldämpfer fängt im Falle eines Sturzes Energie auf – und noch wichtiger: die beiden Karabiner. „Die wichtigste Regel auf Klettersteigen ist, dass einer der Karabiner immer mit dem Seil verbunden ist“, sagt der Bergführer: „Auch wenn es etwas Zeit kostet“, erklärt er, „dürfen niemals beide Karabiner gleichzeitig umgehängt werden.“

Während Hansjörgs Augen schauen, wer sich wie bewegt, wo er helfen oder erklären, den nächsten Griff oder Tritt zeigen muss, legt sich die erste Nervosität. „Es braucht die Kondition für eine vierstündige Bergwanderung – mehr nicht“, sagt er. Die größte Gefahr sei eigentlich nur, sich nicht richtig einzuschätzen. Es auf die leichte Schulter zu nehmen oder nicht für das Wetter in den Bergen gerüstet zu sein. Das heißt: Niemals allein und ohne Proviant sowie ohne Schutz gegen Regen und Kälte losgehen. Und in den Sommermonaten mit dem ersten Lift starten: „Sonst ist die Gefahr in ein Gewitter zu kommen einfach zu groß.“

Auf dem dritten Masarè-Turm eröffnet sich bei einer kurzen Rast auf rund 2600 Metern Höhe eine spektakuläre Rundum-Aussicht. „Das Gefühl, hier oben zu sein, bleibt für immer“, sagt Hansjörg. Für Euphorie wäre es aber noch zu früh. Schließlich braucht es für die zweite Hälfte des Klettersteigs nochmal höchste Konzentration – insbesondere beim Abstieg. Wenn nötig hilft Hansjörg mit dem Seil, meistens reicht es aber, wenn er ruhig danebensteht und den nächstbesten Schritt zeigt – sofern sich der nicht ohnehin über all die Tritte, Leitern und Sicherungen von selbst erschließt. „Wenn du im Fels bist und nicht weiterweißt, hilft dir kein Youtube-Tutorial mehr“, sagt Hansjörg augenzwinkernd. Auch weil er weiß, dass es gerade die kleinen Tipps und Tricks sind, mit denen er in kniffligen Situationen große Wirkung erzielen kann.

Gut fünf Stunden nach dem Start sitzt die Klettersteig-Gruppe auf der Terrasse der Rotwandhütte. Bei Knödeltris, Tagliatelle mit Wildragout, gespritztem Holundersaft und alkoholfreiem Weißbier blicken alle auf einen unvergesslichen Tag zurück und vergessen all die Anstrengungen und Herausforderungen. Wie schön es hier oben in den Bergen ist – das hat die Tour über den Masarè-Klettersteig alle hautnah und mit allen Sinnen spüren lassen. Hansjörg hat die Gelassenheit von mehr als drei Jahrzehnten Erfahrung als Bergführer, mit der er weiß, dass solche Tage immer mit einem riesigen Glücksgefühl zu Ende gehen. Er hat nicht nur fast alle sicher nach oben gebracht. Vielmehr: „Alle die oben waren, sind auch wieder sicher heruntergekommen“, sagt er. „Ich weiß die Schönheit der Berge hier im Eggental jeden Tag zu schätzen“, so beschreibt er die Verbundenheit mit seiner Heimat. Dass er von diesem Glück, das er hier empfindet, etwas zurückgeben kann, ist für ihn einerseits ein Geschenk – andererseits aber auch eine Verpflichtung: „Wir müssen nicht sterben, um ins Paradies zu kommen. Weil wir da schon leben.“

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