Aus gutem Holz geschnitzt
Unglaubliche 70 % des Eggentals sind von Wald bedeckt – es ist also naheliegend, dass die Wald- und Holzwirtschaft hier seit jeher DER wichtigste Wirtschaftszweig ist. Zwischen wirtschaftlichem Treiben und traditionellem Handwerk vermittelt das Holz des Tals vor allem eins: große Geschichten.
Der Blick zurück: Eggental goes Venice!
Bereits im 16. Jahrhundert konnten viele Eggentaler, insbesondere die Deutschnofner, ihren Lebensunterhalt durch den Export von Lärchen-, Föhren-, Fichten- und Tannenholz bestreiten. Der Transportweg führte über Deutschnofen und das Brantental nach Leifers und weiter nach Branzoll, wo das Holz auf der Etsch verflößt wurde und so bis nach Venedig gelangte. Das sogenannte „Lörget“, ein zähflüssiges Harz, wurde für den Schiffsbau in Venedig verwendet. Und angeblich stammen die Säulen am Markusplatz, auf denen zwei Löwen stehen, aus dem Holzbestand Deutschnofens.
Die Abnehmer des Eggentaler Holzes waren vor allem Bozner Bürger, Überetscher und Bozner Weinbauern sowie das holzarme Italien. Italienische Holzhändler vertrieben das Holz zudem über die Grenzen hinaus nach Algerien, England, Griechenland und Ägypten.
Der Aufschwung im Straßenbau Ende des 19. Jahrhunderts sorgte nicht nur für mehr Tourismus, sondern auch für neue Transportwege, auf denen die Eggentaler Produkte von einem Ort zum anderen gelangten. Eine Alternative zu diesen Wegen war die „Trift“, also der Wassertransport. Der Eggentaler Bach bot sich – besonders bei hohem Wasserstand während der Schneeschmelze – für den Holztransport und die Trift nach Kardaun geradezu an, auch wenn das steile Gelände das Unterfangen erschwerte
Wo Traditionen weiterleben
Die Venezianische Säge
Nicht nur alte Höfe und Bauerntraditionen vermitteln im Eggental das Gefühl, als würde die Uhr an manchen Orten etwas langsamer laufen. Auch eine spezielle Sägetechnik, die zwei wichtige Elemente des Tals – Holz und die Kraft des Wassers – miteinander vereint, reicht Jahrhunderte zurück in die Vergangenheit. Die Rede ist von der „Venezianischen Säge“, die auf Skizzen Leonardo da Vincis zurückgeht, die ein Wasserrad, ein sich horizontal bewegendes Sägeblatt und einen Balkentisch auf Rollen vorsehen. Der mit dem zu schneidenden Stamm beladene Wagen rollt über eine schiefe Ebene zum Sägeblatt, das durch Wasserkraft angetrieben wird. Die Venezianer hatten diese revolutionäre Technik von da Vinci übernommen, konnten sie aber nicht selbst nutzen. Aus diesem Grund gaben sie sie an die Bauern weiter, bei denen sie das Holz kauften – so übernahmen die Eggentaler die Technik. Von einst 73 Sägen im Tal sind mittlerweile nur noch zwei in Betrieb: die Tischlersäge von Josef Mairhofer (bei einem Brand im Jahr 2022 zerstört worden) in Welschnofen und die Flecker-Säge von Alfred Sinner in Eggen.
Der Latemarforst und das Klangholz
Auf einer Höhe von 1.400 bis 1.800 Metern, direkt unter den schroffen, bleichen Schrägen des Latemar-Nordhangs, liegt der Latemarforst. Die Lage und die kalkhaltigen Böden, die Temperaturverhältnisse und klimatischen Bedingungen sind ideal für den Wachstum der Fichten, die hier zwischen 48 und 51 Meter hoch werden. Ab September werden die Bäume geschlagen – bis auf die Haselfichte, die wertvolles Klangholz für den Instrumentenbau liefert: Deckel von Geigen, Celli und Gitarren sowie Harfen, Klaviere, Didgeridoos und Alphörner. Diese Bäume werden erst zwischen November und Januar gefällt, wenn der Stamm in Saftruhe ist. Klangfichten zeichnen sich durch ihr geringes spezifisches Gewicht aus, das für die Schnelligkeit des Klanges verantwortlich ist, und durch enge, gewellte Jahresringe, die wichtig für die Resonanz sind. Außerdem weisen sie keinerlei Holzfehler oder Astlöcher auf. Für den Instrumentenbau wird der Mittelteil der Bäume verwendet, die idealerweise einen Umfang von 4–5 Metern aufweisen – diese Bäume sind somit 250 bis 300 Jahre alt!
Die Fichten des Latemarforsts werden ausschließlich im Sägewerk Latemar in Welschnofen von ausgebildeten Waldarbeitern verarbeitet – die Holzfällerarbeiten selbst werden nur zu zweit oder dritt durchgeführt, die Säge darf nur von einem Mitarbeiter bedient werden. Der Großteil des verarbeiteten Holzes geht nach Norditalien, ein kleinerer Teil auch nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz. Alle Stämme tragen das Gütesiegel „Latemar“.
Holz: Damals wie heute DER Rohstoff des Eggentals
Auch heute noch besitzt der Rohstoff Holz eine enorme Wichtigkeit im Eggental: Gleich mehrere große Holzhandelsunternehmen sind hier angesiedelt. Seit 15 Jahren wird die Biomasse als erneuerbare Ressource intensiv genutzt: Zwei Fernheizwerke in Obereggen und Welschnofen versorgen über 500 Haushalte und Betriebe mit Wärme. Auf diese Weise werden rund 1,2 Mio. Liter Heizöl pro Jahr eingespart. Auch 16 Unterkunftsbetriebe im Eggental sowie die Bürogebäude der Obereggen Latemar AG sind an die Fernheizwerke angeschlossen. Die Hackschnitzelanlagen sowie beide Fernheizwerke werden mit Eggentaler Biomasse gespeist.